Diverse Chefredaktoren diskutierten über die Zukunft der Zeitungen
«Basel im Gespräch» diskutiert Themen mit Menschen aus und um Basel, welche die Regio Basiliensis interessieren, ja emotionalisieren. Dies alles mit gegenseitigem Respekt und auf hohem Niveau. Es ist ein Angebot der Offenen Kirche Elisabethen, der Reformierten Kirche von Basel-Stadt.
Und so nahmen unter der Leitung von Moderator Frank Lorenz, reformierter Leiter der OKE und Geschäftsführer, die folgenden Persönlichkeiten Platz:
- Patrick Marcolli (48), seit dem 5. November der neue Chefredaktor der «bz Basel» und «bz Basellandschaftliche Zeitung».
- Marcel Rohr (51), neuer Chefredaktor der «Basler Zeitung»
- Patrick Künzle (44), stv. Leiter des Regionaljournal Basel (Radio SRF)
- Peter Knechtli (59), Gründer von OnlineReports
- Christian Keller (36), Gründer von Prime News
- Karin Müller (53), Chefredaktorin von Telebasel
Ein illustres Sextett, das über viel journalistische Erfahrung verfügt und für diverse Medien gearbeitet hat. Die beiden neuen Chefredaktoren Marcolli und Rohr sollen die bz Basel und BaZ prägen – mit der Erlaubnis zweier grosser Verlage aus Zürich (Tamedia) und Aarau (az medien, Peter Wanner).
Innovation und Mut
Patrick Künzle verliess nach dem «somm’erschen» Kurswechsel die Basler Zeitung und ist seit Jahren eine der wichtigsten (Radio-)Stimmen des «Regi». Christian Keller ist nicht nur das Nesthäkchen, sondern der «Newcomer» der Medienszene. Ein Mann, der klaren, pointierten Worte, die meist polarisieren, denn der promovierte Historiker macht aus seiner rechts-konservativen Gesinnung keinen Hehl. Mutig, dass der erfahren Medienschaffende ein neues Online-Portal (Prime News) aus dem Boden gestampf hat. In diesem Segment ist Peter Knechtli zuhause. Er ist gelernter Schriftsetzer, der seit 46 Jahren als Journalist arbeitet. Ihn darf man als Pionier des Online-Journalismus› bezeichnen, denn sein «OnlineReports» besteht seit 20 Jahren. Und geniesst Kultstatus, auch wenn es ein Votum eines Besuchers (P.G.; Name der Redaktion bekannt) gab, das für Dissonanzen sorgte, so dass Gesprächsleiter Lorenz «stop» sagen musste. Seit vier Jahren ist Karin Müller «das Gesicht von Telebasel». Eine Powerfrau, die ihre Sporen in Zürich bei Radio DRS 3 abverdient hat und landesweit bekannt ist.
… aber auch Turbulenzen
Die regionale Medienlandschaft erlebt turbulente Zeiten. Das Portal «barfi.ch» stellte vor gut zwei Monaten seinen Betrieb ein und hat Konkurs angemeldet. Die nächste Hiobsbotschaft folgte sogleich, denn die «Tageswoche» sagt in diesen Tagen «sali zämme – das war’s». Es war ein offenes Geheimnis, dass dieses Medium nur dank eines sehr grosszügigen Mäzenatentums (der Dank gebührt hier Maja Oeri) überhaupt geboren und sehr lange am Leben erhalten wurde. Zuletzt «künstlich» und mit vielen Zuschüssen. Aber irgendwann sind die Mittel à fonds perdu ausgeschöpft.
Die «Basler Zeitung» mag der Platzhirsch sein – die baslerische Eigenständigkeit hat das Blatt nicht mehr; sie ist zu einem Kopfblatt geworden, denn «Züri» liefert in der Regel die Titelseite, den politischen Teil, die Wirtschaftsnachrichten, das überregionale Feuilleton und den nationalen Sport. Aber es ist zu wünschen, dass es Rohr und seinem Team gelingt, zumindest einen starken, profundierten Regionalteil zu produzieren. Und es muss nicht alles rot-blau sein…
Die «bz Basel» hätte noch viel Luft nach oben; sie muss eine wichtige Stimme, und Konkurrentin, der «BaZ» werden. Gerade im «Speckgürtel» um Basel (Bezirk Arlesheim) liegt viel Potenzial. Dass die ehemalige «Lüdin-Zeitung» im Dreijahres-Rhythmus ihre Chefredaktoren, gar abrupt, auswechselt (von Matthias Zehnder über David Sieber zum aktuellen Chef Patrick Marcolli), tut der Kontinuität und Konstanz nicht gut. Möge der Neue (Patrick Marcolli) mehr Sitzleder haben.
Im Zeitalter der Digitalisierung
Man könnte nun tagelang darüber philosophieren, was Qualitätsjournalismus ist. Gibt es noch Ethik und Moral in der Medienwelt? Was zeichnet einen Journalisten aus? Tatsache ist, dass Medien weiterhin vonnöten sind. Eine moderne Gesellschaft braucht starke Medien; ob diese rein informativ sein müssen oder auch «aufklären» (korrekter: Inputs geben) sollen, sei dahingestellt. Die online-Berichterstattung ist allgegenwärtig – das mediale, digitale Zeitalter lässt sich nicht stoppen. Social Media sind das tägliche Brot, die gedruckte Zeitung als Nachrichten-Übermittler ist ein Anachronismus, ja Fossil geworden.
Der Kreis der «sechs Chefredaktoren», mit «Tätschmeister» Frank Lorenz, war unterhaltsam, ja spannend. Die gut 200 Besucher hörten interessiert zu und konnten aus Zeitmangel nur wenige Fragen stellen. Menschen sind neugierig, Menschen lesen, Menschen wollen wissen – die allermeisten leider zum Nulltarif. Diese Gratiskultur ist verheerend, denn eines sei hier in aller Deutlichkeit gesagt: Wissen kostet – und guter Journalismus zeichnet sich durch Qualität aus. Und dieser hat seinen Preis.
Wo blieben die Lokalzeitungen?
Es sprachen und philosophierten die «Grossen», die aber wohl weniger gross sind als sie selber glauben. Es geht vergessen, dass die regionale Medienlandschaft trotz allem sehr vielfältig ist. Die vielen Lokalzeitungen gingen gänzlich vergessen – diese haben schlanke Strukturen, werden oft von «Einzelmasken» geprägt und sind rentabel. Auch Quartierblätter gedeihen gut – beiden Presseerzeugnissen ist eigen, dass sie ganz nahe an der (Quartier-)bevölkerung sind. Aber auch die «Basler Woche», «Baselbieter Woche» und «Baselland Woche» sind in der Medienlandschaft fest verankert, geniessen eine hohe Aufmerksamkeit und werden intensiv gelesen.
Kurzum: Die Medienlandschaft ist im steten Fluss. Zeitungen sind im Wandel – wohin diese (Ver-)änderungen führen werden? Prognosen sind wie Kaffeesatzlesen. Tatsache ist aber, dass in fünf Jahren das Podium wohl anderweitig besetzt sein wird … hiefür muss man kein Prophet sein!
Jordi Küng